– Aus dem Heft „Zorrow wird 15“ von 1998- 
Wenn ich richtig im Zorrow-Stammbaum nachgerechnet habe, dann erlebten im Laufe der vergangenen fünfzehnjahre an die hundert Menschen dieses Wohnprojekt,-einschließlich der dreizehn Frauen, acht Männer und zehn Kindern, die sich bis auf den heutigen Tag, im August 1998, hier aufhalten. Diese Tatsache allein ist als „voller“ Erfolg zu werten, angesichts der Abrißpläne, die von seiten der Wohnungswirtschaft für dieses Gebäude bis weit in die achtziger Jahre Gültigkeit hatten und erst und denen erst von den HausbesetzerInnen Einhalt geboten werden konnte. Es hat sich neue Lebendigkeit an diesem Ort angesiedelt.
Genauer muss es heißen: „wieder angesiedelt“. Denn in acht Jahrzehnten vor unsere Zeit hat das Leben in diesen Gemäuern ja genauso viel Platz gehabt. Vielleicht konventioneller als heute, aber wer will das beurteilen? Sicherlich proletarischer, anch den vergilbten Ausgaben der sozialistischen Zeitschriften zu urteilen, die wir an Wänden und unter Fußböden gefunden haben. Vielleicht ….ja was eigentlich? Wir wissen bisher wenig aus der Geschichte dieses Hauses seit seiner Erbauung im Jahre 1902. Nur selten haben sich ehemalige BewohnerInnen in den Hinterhof verirrt oder neugierig von der Straße hereingeschaut. Von denen waren einige sogar überrascht,daß das Haus überhaupt noch steht. „War doch alles kaputt hier..“, „wollten die doch eh abreißen, oder?“. Und die wenigen Male, als wir mit diesen Leuten ins Gespräch kommen konnten, blitzen alltägliche, einmal auch bizarr-dramatische Lebensgeschichten auf, die sich hinter diesen Wohnungstüren abgespielt haben müssen. Von der alten Dame, die ihre Küche das ganze Jahr hindurch komplett mit diversen Weihnachtsbäumen zugestellt habe, berichrten welche und, „ja hier im 1, Stock Hinterhaus muß es gewesen sein“, wo sich Kutte aufgehängt hat. „Mensch, is doch alles schon ne reine Ewigkeit her, wa?“ Und, na klar doch, die Erinerrung an den schönen Obstgarten hinter dem Haus, de Frau Thiel regelmäßg abgeerntet hat, und dessen Früchte nun alljährlich von uns zu Marmelade verarbeitet werden können. 
Insgesamt bleibit die Erinnerung jedoch fragmentarisch und wäre es dort wert, im Detail aufgehoben zu werden. Das ist doch der Stoff, aus dem das Bild der Vergangenheit lebendig wird und aus dem Sozialgeschichte ihren Honig saugt. 
Die BewohnerInnen wechseln, niemand bleibt sein Leben lang an einem Platz, schon garnicht in einem altberliner Mietshaus. Dennoch sind die letzten Mietparteinen in den siebzieger Jahren eher zum Auszug genötigt worden als freiwillig gegangen, mußten wahrscheinlich Umsatzwohnungen akzeptieren, wenn sie nicht auf der Straße sitzen wollten. Ein solches Szenario im Umfeld von Wohnungs- und Gruundstücksspekulation, Modernisierung ganzer Stadtviertel mit dem Mittel der Kahlschlagsanierung, von Blockentkernungen für notwendige genauso wie für zweifelhafte Projekte, führte am Ende der siebziger Jahre zu einiger Unruhe in Berlin, deren wirkunsvollste Spitze gegen Vertreibung, Leerstand und Geschäftemacherei die politische Hausbesetzungsbewegung wurde: „Die Häuser denen, die drin wohnen“. 
Auch im Wedding, so auch im Haus Grüntaler Straße 38. Allerdings blieb der Widerstand auf eine Art immer Paradox: Erst die systemaatische Entmietung, der Bruch in der Bewohnbarkeit bis zu fast völligen Zerstörung, erst die Unbewohnbarkeit dieser Adresse hat uns den Neubeginn ermöglicht.